Frauen im Handwerk

Der Status quo und die Herausforderung. Eine aktuelle Studie des ifh Göttingen gibt Aufschluss über die Ausbildungs- und Beschäftigungssituation von Frauen im Handwerk.

Obwohl die Unterschiede zwischen Frau und Mann in vielen Bereichen zusehends kleiner werden, ist es noch immer der Fall, dass Frauen im Beschäftigungssystem Deutschlands unterrepräsentiert sind – und das nicht bloß im Handwerk. So liegt der Anteil von Frauen an der Gesamtzahl aller Erwerbstätigen in Deutschland bei 46,7 Prozent, der Anteil im System der dualen Ausbildung bei 39 Prozent. Im Handwerk liegt der entsprechende Anteil der Erwerbstätigen bei 32,1 Prozent und in der dualen Ausbildung bei lediglich 22 Prozent.

Eine mögliche Erklärung für dieses Ungleichgewicht ist sicherlich die Tatsache, dass ein Großteil der jungen Schulabsolventinnen sich eher für kaufmännische und dienstleistende Berufe entscheidet, während im Handwerk die Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten ihren Schwerpunkt im gewerblich-technischen Bereich haben. Dieser Umstand allein reicht allerdings nicht aus, um zu erklären, weshalb so viel weniger Frauen als Männer im Handwerk tätig sind.

Frauen im Ausbildungssystem des Handwerks

Die Gesamtzahl der Lehrlinge im Handwerk ist seit Mitte der Neunzigerjahre deutlich gesunken, insbesondere, was männliche Auszubildende angeht. Die Zahl der weiblichen Auszubildenden hingegen ist weitestgehend gleich geblieben. Entsprechend ist der Anteil weiblicher Lehrlinge im Handwerk bis zum Jahr 2009 angestiegen. Seither ist diese Entwicklung allerdings wieder leicht rückläufig.

58,3 Prozent der Frauen sind im Handwerk teilzeitbeschäftigt

Der insgesamt sinkende Lehrlingsbestand im Handwerk hat in erster Linie demographische Gründe: Nicht nur, dass die Zahl der Absolventen allgemeinbildender Schulen abnimmt, es ändern sich auch die Anteile der unterschiedlichen Bildungsabschlüsse. So sinkt die Zahl der Hauptschulabsolventen überproportional stark, während die Zahl der (Fach-)Abiturienten zunimmt. Infolgedessen entscheiden sich zusehends weniger Schulabgänger für eine Ausbildung und streben stattdessen beispielsweise ein Studium an. Diese Entwicklung ist insbesondere bei jungen Frauen zu beobachten.

Neben der generell sinkenden Zahl ausbildungsinteressierter Schülerinnen ist der geringe Anteil weiblicher Auszubildender im Handwerk mit den Berufswünschen junger Frauen zu begründen: Sie streben häufiger Schulberufe, eine Beamtenausbildung oder Berufe im Dienstleistungs- und kaufmännischen Bereich an. Tatsächlich können es sich lediglich 10 Prozent der ausbildungsinteressierten Schülerinnen vorstellen, einen gewerblich-technischen Beruf zu erlernen. Zum Vergleich: Unter jungen Männern, die Interesse an einer Ausbildung bekunden, liegt der Anteil bei 59,9 Prozent.

Entwicklung des Lehrlingsbestands im Handwerk

Hinzu kommt, dass junge Frauen trotz gleicher schulischer Qualifikation und gleicher Noten geringere Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben. Dieser Umstand legt den Schluss nahe, dass junge Männer bei der Vergabe von Lehrstellen bevorzugt behandelt werden.

Im Handwerk sind weibliche Auszubildende auf relativ wenige Berufe konzentriert. So entfällt ein jeweils sehr hoher Anteil auf die Berufe Friseurin und Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk. Dieser Umstand hilft, die seit 2009 rückläufige Entwicklung des Anteils weiblicher Auszubildender im Handwerk zu erklären. Insbesondere in diesen beiden Ausbildungsberufen ist die Zahl der Neuabschlüsse zwischen 2005 und 2013 deutlich gefallen. Vor dem Hintergrund, dass vor allem Hauptschülerinnen diese Berufe ergreifen, es jedoch in den Hauptschulen sinkende Absolventenzahlen gibt, ist zudem ein weiterer Rückgang der Neuabschlüsse zu erwarten. Hinzu kommt, dass die Zahl frühzeitiger Vertragsauflösungen bei weiblichen Auszubildenden höher ist – ein Umstand, der stark durch Entwicklungen im Friseurgewerbe geprägt ist.

Allerdings ist im Gegensatz zu den sinkenden Neuabschlusszahlen in den weiblich dominierten handwerklichen Ausbildungsberufen eine positive Entwicklung für Frauen in den männlich dominierten zu beobachten: Im Zeitraum von 2005 bis 2013 ist die Zahl der Neuabschlüsse hier nämlich um 19,2 Prozent gestiegen. So entscheiden sich junge Frauen vermehrt für Berufe wie Kfz-Mechatronikerin, Malerin und Lackiererin, Tischlerin und Elektronikerin. Was ist nun also für die Zukunft der Frauen im Ausbildungssystem des Handwerks zu erwarten?

Im Zuge der demographischen Entwicklung und der jüngeren Beobachtungen in den weiblich dominierten Ausbildungsberufen ist davon auszugehen, dass der Anteil der Frauen weiter sinken wird. Diese negative Entwicklung wird allerdings durch die steigende Tendenz im Bereich der männerdominierten Ausbildungsberufe abgeschwächt.

Frauen im Beschäftigungssystem des Handwerks

Der Anteil weiblicher Erwerbstätiger im Beschäftigungssystem des Handwerks liegt bei 32,1 Prozent. Dabei fällt die Verteilung auf die einzelnen Gewerbegruppen des Handwerks sehr unterschiedlich aus. So sind Frauen im Bauhauptgewerbe mit einem Anteil von weniger als 10 Prozent stark unterrepräsentiert. Auf der anderen Seite dominieren sie die Gruppe der Handwerke für den privaten Bedarf mit beinahe 80 Prozent. Hier sind auch die drei weiblich dominierten Berufsfelder des Handwerks einzuordnen: Friseur, Maßschneider und Kosmetiker. Auffallend ist außerdem, dass der Anteil der Frauen im Beschäftigungssystem des Handwerks höher ist als im Ausbildungssystem. Hierfür gibt es mehrere Gründe.

Erstens sind im Handwerk generell viele un- oder angelernte Arbeitskräfte beschäftigt. So verfügen auch viele Frauen in diesem Wirtschaftsbereich über keinen Berufsabschluss. Insbesondere ist dies im beschäftigungsstarken Gebäudereiniger-Handwerk zu beobachten: Zum einen sind in diesem Berufsfeld viele Frauen beschäftigt – und ein sehr hoher Anteil lediglich geringfügig. Zum anderen bietet die Arbeit als Gebäudereinigerin eine solide berufliche Perspektive für Frauen ohne Abschluss, da hier keine berufsspezifische Qualifikation nötig ist. Entsprechend liegt der Anteil un- oder angelernter Gebäudereinigerinnen bei ganzen 88 Prozent.

Frauen nach Erwerbsgruppen

Der Anteil weiblicher Erwerbstätiger liegt bei 32,1 Prozent

Zweitens gehen viele Frauen, die in handwerklichen Betrieben beschäftigt sind, nicht zwingend auch einer handwerklichen Tätigkeit nach, sondern kümmern sich beispielsweise um die kaufmännischen Angelegenheiten des jeweiligen Betriebs. Dies sorgt insbesondere in den männlich dominierten Handwerkszweigen für einen erhöhten Frauenanteil. Tatsächlich hat beinahe die Hälfte aller im Handwerk beschäftigten Frauen, die über einen Berufsabschluss verfügen, eine Ausbildung in einem anderen Wirtschaftsbereich – vorwiegend in Handels- und Industrieunternehmen – absolviert. Umgekehrt verlassen sehr viele im Handwerk ausgebildete Frauen dieses im Laufe ihres Erwerbslebens. So waren im Jahre 2012 über 70 Prozent derjenigen erwerbstätigen Frauen, die eine handwerkliche Ausbildung absolviert haben, nicht mehr im Handwerk tätig. Tatsächlich hat bei einem Großteil die neue Tätigkeit mit dem Ausbildungsberuf nichts mehr zu tun. Ein Einbrechen der Verbleibsquoten ist im Handwerk generell seit 1999 zu beobachten, sowohl bei Frauen als auch bei Männern.

Dies ist einerseits die Folge eines starken Beschäftigungsabbaus zwischen 1995 und 2005. Andererseits ist seit vielen Jahren zu beobachten, dass andere Wirtschaftsbereiche finanziell attraktiver geworden sind als das Handwerk. Dennoch weisen Frauen wesentlich geringere Verbleibsquoten auf als Männer. Im Hinblick auf die Arbeitszeiten der im Handwerk beschäftigten Frauen fällt auf, dass die Mehrzahl (58,3 Prozent) teilzeitbeschäftigt ist. Zum Vergleich: So gut wie alle im Handwerk beschäftigten Männer (87,6 Prozent) arbeiten Vollzeit. Dies ist einerseits damit zu begründen, dass weiblich dominierte Gewerbe generell eher in Teilzeit betrieben werden, während dies bei männlich dominierten Gewerben die Ausnahme darstellt. Außerdem ist anzunehmen, dass Teilzeitmodelle die Erwerbschancen von Frauen, insbesondere von Müttern, erhöhen.

Entwicklung der Zahl bestandener Meisterprüfungen im Handwerk

Frauen und Unternehmertum im Handwerk

Für viele Bereiche des Handwerks ist ein Meisterabschluss nötig, um einen Betrieb zu gründen und zu führen. Wie auch im Ausbildungssystem ist der Anteil der Frauen, die die Meisterprüfung im Handwerk erfolgreich ablegen, bis zum Jahr 2010 stark gestiegen, seither ist er allerdings leicht rückläufig. Auch hier ist diese Entwicklung vor allem durch sinkende Zahlen bei den männlichen Prüflingen zu erklären. Dabei überrascht es nicht, dass der Großteil derjenigen Frauen, die den Meistertitel erwerben, in weiblich dominierten Gewerben tätig ist. Tatsächlich erfolgte etwa die Hälfte der im Jahr 2013 abgelegten Prüfungen im Friseurhandwerk.

22 Prozent der Betriebe werden von Frauen geführt

Auffällig ist, dass der Schritt in die Selbstständigkeit oder zur angestellten Meisterin Frauen seltener gelingt – ein Umstand, der auch in weiblich dominierten Gewerben zu beobachten ist. Dies schlägt sich auch im Anteil der Betriebe unter weiblicher Führung nieder: Beispielsweise lag dieser 2013 in Niedersachsen bei lediglich 22 Prozent. Außerdem ist der Anteil an Teilzeitselbstständigen unter Frauen höher. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass Frauen öfter durch familiäre Verpflichtungen gebunden sind.

Hinzu kommt, dass Frauen größtenteils Betriebe im Bereich der „handwerksähnlichen“ Gewerbe gründen, in dem weniger handwerkliche Qualifikationen nötig sind. Allerdings ist in diesem Bereich die Überlebensrate von Betrieben generell geringer. Somit ist es nicht überraschend, dass die Überlebensrate der von Frauen gegründeten Handwerksunternehmen ebenfalls geringer ist als bei Männern. Weitere Unterschiede beim Gründungsverhalten von Frauen sind, dass sie zum einen jünger sind und zum anderen Gründungsvorhaben realisieren, die tendenziell kleiner und mit einem geringeren Kapitalbedarf verbunden sind.

FAZIT UND AUSBLICK

Trotz der Tatsache, dass Frauen im Handwerk stark unterrepräsentiert und die Zahlen der Ausbildungs- und Meisterabschlüsse zuletzt leicht rückläufig sind, ist es dennoch möglich, dass ihrer Rolle im Handwerk in Zukunft mehr Bedeutung zukommt. Insbesondere wenn junge Frauen weiterhin verstärkt in männlich dominierte Berufsfelder drängen, ist ein Aufweichen der bisherigen Strukturen zu erwarten.

ÜBER DEN AUTOR

Johannes Loh

ist seit Januar 2016 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am ifh Göttingen tätig. Zuvor hat er an der Georg-August-Universität einen Master im Fach „International Economics“ erworben. Der Schwerpunkt seiner Forschungsinteressen liegt im Bereich der Industrie- und Wettbewerbsökonomik.