Rechtsanwalt und Schimmelpilzexperte Alexander Bredereck klärt auf, warum eine rein werkvertragliche Betrachtungsweise oft zu kurz greift. Denn eine Haftung wegen Schimmelpilzbildung nach Baumaßnahmen lässt sich vermeiden.
Überraschung hinter der Fußleiste: Ein Schimmelpilzbefall ist oft auf den ersten Blick nicht sichtbar.
Energieeinsparung ist und bleibt ein beherrschendes Thema. Eine unangenehme Folge der staatlich geförderten Maßnahmen zur Wärmedämmung ist die Verschlechterung der Raumluft – und hier ganz vorn die vermehrte Bildung von Schimmelpilzen in Innenräumen. Die Frage, welche Leistung geschuldet ist, wird unter Rückgriff auf den werkvertraglichen Mangelbegriff beantwortet. Bei vermieteten Objekten greift diese Betrachtungsweise allerdings zu kurz. Trotz baurechtlich mangelfreier Ausführung kann der Vermieter später in einem Prozess mit dem Mieter wegen der Bildung von Schimmelpilzen unterliegen. Hintergrund: Der Vermieter kann vom Mieter nicht ohne Weiteres ein idealtypisches oder auch nur den baulichen Gegebenheiten angepasstes Nutzerverhalten verlangen. Der Mieter wird anders als der selbst nutzende Eigentümer auch nicht von sich aus zu übermäßig sorgsamem Nutzungsverhalten tendieren. Zumal der werkvertragliche Mangelbegriff mit dem mietrechtlichen nicht identisch ist.
Bauunternehmen bzw. Planer, die diese Gegebenheiten nicht ausreichend berücksichtigen, werden zumindest unzufriedene Vertragspartner haben. Außerdem ist davon auszugehen, dass bei verlorenen Mietprozessen zunehmend versucht werden wird, Rückgriff beim Bauunternehmen oder Planer zu nehmen. Streitverkündungen im Mietprozess sind momentan noch eher selten, nehmen aber zu. Eine der Ursachen für die noch relativ seltene Streitverkündung im Mietprozess liegt u. a. darin begründet, dass die Mietrechtler ihren Mietprozess führen und nicht daran denken (wollen), einen Bauprozess vorzubereiten. Auch das kann sich ändern. Dieser Beitrag setzt sich mit den Anforderungen der Rechtsprechung an Vermieter in Bezug auf Mangelfreiheit und Hinweispflichten zum Nutzungsverhalten auseinander und leitet daraus Schlussfolgerungen für die Planung und Bauausführung ab.
Zunächst ein Beispiel: Der Vermieter eines Hauses mit mehreren Mietwohnungen hat dieses modernisieren lassen. Dabei wurden u. a. die alten Fenster gegen Isolierglasfenster ausgetauscht und die Fassade gedämmt. In der Folgezeit tritt in allen Mietwohnungen Schimmelpilz auf. Die Mieter machen Ansprüche auf Instandsetzung (Beseitigung des Schimmelpilzes und seiner Ursachen), Mietminderung, ein Zurückbehaltungsrecht am Mietzins bis zur Beseitigung der Mängel und Schadensersatz (zum Beispiel für die vom Schimmelpilz zerstörten Einrichtungsgegenstände) geltend. Mehrere Mieter erheben Klage.
Im Prozess behaupten die Mieter, dass Baumängel für die Bildung des Schimmelpilzes verantwortlich sind. Der Vermieter beruft sich auf eine Mangelfreiheit und hilfsweise auf ein unzureichendes Heiz- und Lüftungsverhalten der Mieter.
Das zuständige Amtsgericht wird sich an Folgendem zu orientieren haben: Ist streitig, ob Feuchtigkeitsschäden ihre Ursache im Verantwortungsbereich des Vermieters oder Mieters haben, muss der Vermieter zunächst sämtliche Ursachen ausräumen, die aus seinem Gefahrenbereich herrühren können (BGH, Urteil vom 10.11.2004, NZM 2005, 17). Erst wenn ihm dieser Beweis gelungen ist, muss der Mieter beweisen, dass die Feuchtigkeitsschäden nicht aus seinem Verantwortungsbereich stammen (BGH, a. a. O.), also auf unzureichendes Heiz- und/oder Lüftungsverhalten, falsches Aufstellen der Möbel (zum Beispiel zu dicht an der Wand) bzw. übermäßigen Feuchtigkeitseintrag in die Wohnung zurückzuführen sind.
Zumindest, wenn der Mieter ein ordnungsgemäßes Heiz- und Lüftungsverhalten behauptet, wird das Gericht ein Sachverständigengutachten zur Freiheit von Baumängeln einholen. Im Rahmen solcher Gutachten wird dann oft ausgeführt, dass bei einem bestimmten Nutzungsverhalten aufgrund des baulichen Zustandes die Bildung von Schimmelpilz nicht zu erwarten ist.
Hierbei hat es aber nicht sein Bewenden. Es stellt sich weiter die Frage, ob der Mieter ein solches Nutzungsverhalten überhaupt schuldet. Der Mieter trägt zum Beispiel vor, dass er seit Anmietung der Wohnung über viele Jahre einmal täglich gelüftet und sein Schlafzimmer nie über 15 °C geheizt hat. Bei trockener, warmer Luft könne er grundsätzlich nicht schlafen. Schimmelpilz sei bei unverändertem Nutzungsverhalten des Mieters erstmals nach den Modernisierungen aufgetreten.
Nun muss das Gericht fragen, welches Lüftungsverhalten nach dem Mietvertrag überhaupt geschuldet ist. Diese Frage wird von den Gerichten sehr unterschiedlich beantwortet. Jedenfalls eine drei bis fünfmal tägliche Lüftung überschreitet den gewöhnlichen Lüftungsbedarf und kann ohne entsprechenden vorherigen Hinweis des Vermieters nicht von den Mietern verlangt werden (LG Gießen, Urteil vom 02.04.2014 – 1 S 199/13 –, Rn. 14, juris).
Absaugen von Sporen: Für die Schimmelpilzsanierung gibt es eine Reihe von Merkblättern und Empfehlungen, um die Freisetzung von Sporen zu vermeiden.
Bisher wird von den Gerichten häufig angenommen, dass der Vermieter in solchen Fällen dem Mieter Hinweise zu einem zu ändernden Nutzerverhalten geben könne. Fraglich ist aber, wie verbindlich diese für den Mieter sind. Dies wiederum führt zu der Frage, auf welcher Rechtsgrundlage der Vermieter vom Mieter überhaupt ein bestimmtes oder gar geändertes Nutzerverhalten verlangen kann. Wenn ein Mieter eine Wohnung bewohnte, bei der es gereicht hat, einmal am Tag zu lüften, warum soll er nun verpflichtet sein, auf einen Hinweis des Vermieters hin dreimal am Tag zu lüften? Warum soll er verpflichtet sein, in einem warmen Schlafzimmer zu schlafen? Warum soll er seine Möbel nur mit 10 cm Abstand zur Wand stellen dürfen?
Einseitige Hinweise können eine Verpflichtung des Mieters jedenfalls dann nicht begründen, wenn der Vermieter etwas verlangt, was über den üblichen Mietgebrauch hinausgeht. Sie bringen daher im Ergebnis nicht sehr viel. Wenn überhaupt, scheint nur eine Vereinbarung über das Nutzerverhalten zielführend. Hier stellt sich aber das Problem, auf welcher Rechtsgrundlage der Vermieter eine solche Vereinbarung überhaupt durchsetzen kann. Dies dürfte nur bei Einverständnis des Mieters bzw. bei Erstvermietung im Rahmen der Unterzeichnung des Mietvertrages möglich sein.
Selbst wenn eine solche Vereinbarung gelingt, müssen die Vereinbarungen einer Klauselkontrolle nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen standhalten. Daran bestehen jedenfalls Zweifel, wenn die Anforderungen an den Mietgebrauch überspannt werden. Eine Vereinbarung, wonach die Wohnung täglich morgens, mittags und abends durch Öffnen sämtlicher Fenster gelüftet werden muss, ist unzulässig, da sie voraussetzt, dass sich der Mieter den ganzen Tag in der Wohnung aufhält. Sie lässt (wie auch ein Großteil der bisherigen Rechtsprechung) außer Betracht, dass nicht der Mieter für die Wohnung, sondern die Wohnung für den Mieter da ist. Andernfalls müsste der Vermieter dem Mieter Zahlungen leisten. Diese Erkenntnisse werden sich vermutlich in den nächsten Jahren auch bei den Gerichten durchsetzen, entsprechende Tendenzen sind bereits erkennbar.
Mietwohnungen müssen so beschaffen sein, dass bei üblichem Lüftungs- und Heizverhalten, üblicher Möblierung und üblichem Feuchtigkeitsanfall kein Schimmelpilz auftritt. Von welchem Verhalten ist hierbei auszugehen? Es würde zu weit führen, hier die umfassende, unterschiedliche und widersprüchliche Rechtsprechung im Einzelnen darzulegen. Ausdrücklich nicht berücksichtigt werden Fälle eines übermäßigen Feuchtigkeitseintrags in die Wohnung durch spezielles Nutzerverhalten (Aquarien, Grünpflanzen, Wäschetrocknen), da die Gerichte hier zu Recht auch ohne ausdrückliche Vereinbarung/Hinweise des Vermieters von verstärkten Anforderungen an das Lüftungsverhalten des Mieters ausgehen.
Die derzeitige Rechtsprechung, gerade auch des Bundesgerichtshofs, ist wesentlich vermieterfreundlicher, als es nachfolgend dargestellt wird. Danach ist es Mietern zum Beispiel zumutbar, eine etwa 30 m² große Wohnung bei Anwesenheit von zwei Personen während des Tages insgesamt viermal durch Kippen der Fenster für etwa drei bis acht Minuten zu lüften (BGH, Urteil vom 18.04.2007 – VIII ZR 182/06 –, juris). Solche Urteile sind lebensfremd und gerade die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Mietrechtssachen (siehe Schönheitsreparaturen) zeigt, wie schnell sich der Wind drehen kann. Jüngere Urteile der Instanzgerichte weisen in eine andere, weitaus mieterfreundlichere und realitätsnähere Richtung.
Lüftungsverhalten: Wohnungen, die am Tag mehrmals gelüftet werden müssen, sind jedenfalls zur Vermietung ungeeignet. Eine regelmäßige Lüftung durch Öffnen sämtlicher Fenster ein- bis zweimal täglich kann ohne besondere Vereinbarung vom Mieter verlangt werden, ist aber auch ausreichend (LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 14.09.2010 – 19 S 22/09 –, juris). In Zeiten längerer Abwesenheit des Mieters (zum Beispiel im Urlaub) und damit eingeschränktem Feuchtigkeitseintrag muss die Wohnung auch mehrere Tage ohne Lüftung auskommen.
Heizverhalten: Hier kann eine regelmäßige Beheizung der Wohnung von durchschnittlich 18 °C verlangt werden (LG Bonn, Beschluss vom 24.10.2011 – 6 S 79/11 –, juris). Einzelne Zimmer der Wohnung müssen aber auch einer verminderten Beheizung standhalten, damit sie zum Beispiel als Schlafzimmer genutzt werden können. In diesem Zusammenhang müssen auch Temperaturabsenkungen zur Energieeinsparung bei längerer Abwesenheit möglich sein.
Möblierung: Aus bauphysikalischer Sicht müssen Mietwohnungen so beschaffen sein, dass sich bei einem Wandabstand von nur wenigen Zentimetern – wie er in der Regel bei Möbelstücken vorliegt – Feuchtigkeitserscheinungen nicht bilden können (LG Mannheim, Urteil vom 14.02.2007 – 4 S 62/06 –, juris).
Schlussfolgerung für die Praxis zur Beratung im Zusammenhang mit der Bauplanung und Bauausführung: Grundsätzlich sollten die Anforderungen an das spätere Nutzungsverhalten bei der jeweiligen Art der Durchführung genau definiert bzw. vereinbart werden. Dies gilt jedenfalls immer dann, wenn bei der geplanten Bauausführung mit einem erhöhten Risiko von Schimmelpilzbildung zu rechnen ist. Beim Einbau von Isolierglasfenstern oder Wärmedämmung in Altbauten ist dies in der Regel immer der Fall. Es sollte im Vorfeld geklärt werden, ob das geforderte Nutzungsverhalten realistisch durchsetzbar ist. Im Zweifel muss eine Bauausführung gewählt werden, die entsprechende Risiken weitmöglich minimiert. Der Auftraggeber muss umfassend und nachweisbar auf die späteren Risiken hingewiesen werden. In diesem Zusammenhang sollte der Auftragnehmer angeregt werden, mit den Mietern eine spezielle Vereinbarung zum künftigen Nutzungsverhalten zu schließen bzw., soweit das nicht möglich ist, einseitige Hinweise an die Mieter zu erteilen und diese nachweisbar zuzustellen. Auch wenn diese Maßnahmen, wie oben dargestellt, in ihrer Verbindlichkeit zweifelhaft sind, sollte darauf unter dem Gesichtspunkt maximaler Vorsicht nicht verzichtet werden.
Wer Baumaßnahmen plant oder durchführt, die das Objekt anfälliger für die Bildung von Schimmelpilzen macht, muss seine Beratung und Bauausführung auch unter mietrechtlichen Aspekten gestalten. Das Risiko einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme steigt.
ist Fachanwalt für Wohnungseigentums- und Mietrecht sowie für Arbeitsrecht. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaft, Theaterwissenschaft und Publizistik in Berlin und Trier erlangte er 1999 seine Zulassung als Rechtsanwalt in Berlin.