Sanierung von Wärmedämm-verbundsystemen

Wärmedämm-Verbundsysteme WDVS werden in Deutschland seit Mitte der 1950er Jahre ausgeführt. Frühere Bezeichnungen wie „Thermohaut“ oder „Vollwärmeschutz“ suggerieren auch heute noch den Hauptaspekt von WDVS: den Wärmeschutz, d.h., die Einsparung von Heizenergie. So hieß auch konsequenterweise die erste staatliche Verwaltungsvorschrift „Wämeschutzverordnung“, heute längst von der Energieeinsparverordnung EnEV, in der gültigen Ausgabe von 2016, und dem Gebäudeenergiegesetz GEG, das voraussichtlich 2020 in Kraft tritt, abgelöst. Während in den Anfangsjahren tatsächlich der ökonomische Vorteil, also Heizenergie zu sparen – man sprach von den Heiz- und Nebenkosten einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses nicht zu Unrecht von der zweiten Miete neben der Kaltmiete – im Vordergrund stand, sieht heutzutage die Aspekte Klima- und Ressourcenschutz mindestens ebenso wichtig geworden. Wenn das Wärmedämm-Verbundsystem in die Jahre gekommen ist und nicht mehr den aktuellen Vorgaben der Energie- und CO2-Einsparung genügen sollte, muss es nicht gleich abgerissen und neu erstellt werden. Der nachfolgende Überblick zeigt Ihnen auf, wann es sich lohnt, ein altes WDVS zu ertüchtigen und welche Vorgaben und Maßnahmen dabei zu beachten sind.

Nichttragfähige Armierungslage auf einem alten WDVS - Rückbau

Die einfachste Überprüfung eines Wärmedämm-Verbundsystems besteht aus der optischen (visuellen) Kontrolle der Fassaden und der Anschlüsse im Bereich Sockel, Fenster und Dach. Ist die Endbeschichtung noch intakt und funktionsfähig? Haben sich etwas Risse gebildet oder ich der Deckputz abgeplatzt? Gefallen die Putzstruktur und der Farbton der Fassade noch? Sind Algen und Pilze an den weniger besonnten Fassadenbereichen aufgetreten? Liegen im Bereich der Anbindung zum Erdreich, Terrassenbelag, Einfahrt, etc. Schäden im Sockel vor? Ist die Fensterbank noch funktionsfähig und dicht? Stimmen die Anschlüsse an den Fenstern noch, haben sich Risse im Laibungsbereich gebildet?

Die einfachste und kostengünstigste Art, ein WDVS zu überarbeiten, besteht in einem neuen Fassadenanstrich oder in einer Putzüberarbeitung. Beide Varianten sind gemäß gültigen Zulassungen oder neu gemäß der allgemeinen Bauartgenehmigungen problemlos möglich.

Reicht dies aber nicht, liegen gravierende Schäden vor oder erfüllt die in früheren Zeiten eher dünnschichtig verbaute Dämmung nicht mehr die Erwartungen an Heizkosten- und Energieeinsparung, sollten die Möglichkeiten einer Sanierung überdacht werden.

Sanierung von WDVS durch Aufdopplung

Um die Entscheidung zu treffen, ob ein vorhandenes Altsystem durch eine Aufdopplung, also Auftrag einer weiteren Dämmschicht mit neuem Unter- und Oberputz, saniert werden kann, sind tiefer greifende Analysen erforderlich. Die Prüfung des Altsystems muss durch einen Sachkundigen erfolgen, das kann der speziell geschulte Fachunternehmer, ein Sachverständiger oder ein Architekt bzw. Bauleiter sein. Am einfachsten ist es, wenn noch entsprechend Bauunterlagen zu dem früher verbauten System vorliegen, an denen geprüft werden kann, ob die verbauten Komponenten zulassungskonform sind. Ist das nicht der Fall oder liegen Zweifel an der Tragfähigkeit des Altsystems vor, müssen die erforderlichen Analysen durch eine oder mehrere Bauteilöffnungen vorgenommen werden.

Ein nichttragfähiges System liegt beispielsweise vor, wenn sich der Unterputz (Armierungslage) vom Dämmstoff ablöst (Abbildung 1) oder der Dämmstoff selbst keine ausreichende Festigkeit mehr aufweist (Abbildung 2). Kritisch sind auch Wasserschäden beim Verbau von Mineralwolle-Dämmstoffen. Ist die Mineralwolle durchfeuchtet, gehen die Dämmwirkung und die Standsicherheit – Festigkeit des Dämmstoffs – verloren. In solchen Fällen lohnt sich nur noch ein kompletter Rückbau – also ein Abriss – des Wärmedämm-Verbundsystems und eine Neuausführung. Da alle Fenster- und Fensterbankanschlüsse dann auch mit erneuert werden müssen, sollte überlegt werden, ob man nicht auch gleich die Fenster modernisiert.

Merke: Ist das Altsystem nicht zulassungskonform oder nicht mehr tragfähig, kann keine Aufdopplung erfolgen!

Alte Schienensysteme können ebenfalls nicht aufgedoppelt werden, zumal wenn die Dämmplatten nur in die Halteschienen eingeschoben und nicht zusätzlich mit Kleberbatzen am Untergrund verklebt wurden.

 

Abb.2: Ablösung oberflächennaher Dämmstoffschichten am Beispiel einer EPS-Dämmplatte - Rückbau

Vorteile einer Aufdopplung von WDVS

Das Altsystem verbleibt an der Fassade, es sind keine Rückbauarbeiten und kostenintensive Entsorgung des Altmaterials notwendig. Als Vorteile sind zu nennen:

  • Schonung der alten Bausubstanz, kein Abriss, Staub, Lärm, Schmutz, Entsorgung
  • Einsparung von Dämmstoff (Ressourcenschonung), da der alte Dämmstoff mit angerechnet wird
  • Mängel im Altsystem werden behoben (Risse in der Oberfläche, Dübelabzeichnungen, etc.)
  • Neuausbildung der Anschlüsse (Sockel, Fenster/Laibung, Dach)
  • Optimierung des Brandschutzes
  • Neue Fassadenoptik.

Die Aufdopplung erfolgt dann gemäß einer ABG, einer Allgemeinen Bauartgenehmigung (Nr. Z-33.49-1505) des Deutschen Instituts für Bautechnik DIBt. In dieser Zulassung / Bauartgenehmigung sind die WDV-Systeme der einzelnen Systemhalter (Hersteller) benannt, deren Altsysteme aufgedoppelt werden dürfen mit den erforderlichen Angaben für Planung, Bemessung und Ausführung – also das „wie“ wird beschrieben und geregelt.

Rahmenbedingungen für eine Aufdopplung von Altsystemen

Aufgedoppelt können Altsysteme mit den Dämmstoffen EPS- (expandierter Polystyrol-Hartschaum), Mineralwolle- oder HWL-Platten (Holzwolle-Leichtbauplatten).

Die energetische Sanierung, die im Rahmen der Aufdopplung auf bestehenden WDV-Systemen erfolgt, muss den Anforderungen der gültigen Energieeinsparverordnung EnEV 2014 (Bestandsgebäude) bzw. EnEV 2016 (Neubauten) entsprechen. Der darin geforderte U-Wert von 0,24 W/(m² x K) wird für alle bearbeiteten Fassadenseiten des Gebäudes zur Pflicht – allerdings nur für Gebäude mit einem Baujahr vor 1985. Es gibt noch weitere Befreiungen zur Erlangung des nach EnEV geforderten U-Wertes (Wärmedurchgangskoeffizient) wie beispielsweise unbillige Härte, also wenn sich die Kosten für eine Sanierung in der üblichen Lebensdauer des Gebäudes nicht amortisieren) oder bei einer Grenzbebauung, wenn die vorgeschriebenen Mindestabstände zum Nachbargebäude oder Grundstück nicht eingehalten werden können. Über mögliche Ausnahmen befindet das zuständige Bauamt.

Es ist grundsätzlich nur eine Aufdopplung möglich. Wie dick und wie schwer das neue Wärmedämm-Verbundsystem werden darf, regelt die Zulassung unter Berücksichtigung des Istzustands am Bauvorhaben, also der Klärung, welche Dämmung, in welcher Dicke mit welchem Gebiet wurde bereits verbaut.

Abb.3: Einbau des erforderlichen Brandriegels bei der Aufdopplung eines Altsystems mit EPS-Dämmplatten

Durchführung der Aufdopplung von Altsystemen

Das Gesamtgewicht alt und neu darf bei der Verwendung von EPS-Dämmplatten 50 kg/m², bei der Verwendung von Mineralwolle-Dämmplatten 30 kg/m² nicht überschreiten. Bei Gesamtdicken von > 200 mm darf das Gewicht des neuen Putzsystems im Nassmörtelgewicht 22 kg/m² nicht überschreiten, dabei beliebt aber das Gewicht des neuen Dämmstoffs mit dem erforderlichen Klebemörtel unberücksichtigt.

Zur Befestigung des neuen Dämmstoffs dürfen nur mineralische Klebemörtel mit zusätzlicher Dübelbefestigung eingesetzt werden, Polyurethan-Klebeschäume sind nicht zugelassen.

Die Dübelermittlung erfolgt wie bei jedem neuen WDV-Standardsystem, entweder durch

  • das praxisgerechte Verfahren – tabellierte Werte für die Dübelanzahl pro m² für die gesamte Fassadenfläche in Abhängigkeit der Bauwerkshöhe und der Windzone für rechteckige Gebäudegrundflächen mit einem h/d-Verhältnis von <= 2 (Gebäudehöhe zur kleinsten Gebäudebreite) und Gebäude in der Ebene (keine Kammlage)
  • das vereinfachte Fachverfahren des Fachverbands VDPM – tabellierte Werte für die Windzonen 1 bis 4, Gebäudehöhe bis 25 m (auf den Inseln bis 10 m), rechteckige Gebäudegrundfläche, h/d-Verhältnis von <= 2, Annahme eines konstanten Winddrucks über der Gebäudehöhe und Standorte bis max. 800 m über NN
  • das Standard-Verfahren als ingenieurmäßige Berechnung) – die Fassade wird in verschiedene Höhen- und Breitenbereiche eingeteilt, für die dann separat die Windsog- und Winddruckverhältnisse berechnet werden, dadurch ergibt sich ein Einsparpotential, da jeder Fassadenfeld eine separat ausgewiesene Dübelanzahl zugewiesen bekommt.

Was ist zu beachten?

Das Standardverfahren spart u.U. große Dübelmengen ein, ist aber aufwändig und muss von spezialisierten Planungsbüros gegen Kostenaufwand berechnet werden. Außerdem erfordert die Umsetzung eines detaillierten Dübelplans auch einen fachkundigen Verarbeiter und eine entsprechend geschulte Bauleitung, damit die Vorgaben auch beachtet und umgesetzt werden.

Wenn der alte Untergrund / das Mauerwerk und dessen Tragfähigkeit nicht bekannt ist, muss an Hand von Dübelauszugsmessungen die Tragfähigkeit bestimmt und der entsprechend geeignete Dübeltyp ausgewählt werden.

Das Nachrüsten der notwendigen Brandriegel bei EPS-Dämmfassaden erfolgt nach den Vorgaben der beiden Schutzszenarien Sockelbrand und Raumbrand und sind umfassend in der Technischen Systeminfo Brandschutz des VDPM Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. beschrieben. Das alte Wärmedämm-Verbundsystem ist in den Bereichen der zusätzlich erforderlichen Brandriegel bis auf den tragfähigen Untergrund einzuschneiden, damit die neuen Brandriegel aus Mineralwolle mit der Mindestbreite und der Dicke des neuen aufgedoppelten Gesamtsystems eingebaut werden können (Abbildungen 3 und 4). Die Brandriegel müssen dazu vollflächig verklebt und mit Stahlnageldübel zusätzlich befestigt werden.

Die Brandklasse des neuen aufgedoppelten Gesamtsystems ergibt sich dann aus den Kombinationsmöglichkeiten des alten Dämmstoffs EPS oder Mineralwolle mit dem neuen Dämmstoff gemäß der nachfolgenden Tabelle 1 aus der Zulassung / Bauartgenehmigung Z-33.49-1505.

Abb.4: Einbau des erforderlichen Brandriegels, Einbaudicke bis auf den tragfähigen Untergrund, Seitenansicht

Sanierung von alten Wärmedämmverbundsystemen – nachhaltig und mit Augenmaß

Die aufgezeigten Varianten verdeutlichen die unterschiedlichen Möglichkeiten, die bei der Instandsetzung oder Sanierung von alten Wärmedämm-Verbundsystemen bestehen. Dabei bietet besonders die Aufdopplung von bestehenden WDVS interessante, kosten- und ressourcensparende Lösungen, um Wärmedämmung und Energieeinsparung für die nächste Generation sinnvoll zu verwirklichen.

Tab.1: Brandverhalten des aufgedoppelten WDV-Systems gemäß Zulassung/Bauartgenehmigung Z-33.49-1505

LITERATURVERZEICHNIS UND WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN
  • Richtlinie Fassadensockelputz/Außenanlage: Richtlinie für die fachgerechte Planung und Ausführung des Fassadensockelputzes sowie des Anschlusses der Außenanlagen, Ausgabe 2013
  • DIN EN 13914-1: Planung, Zubereitung und Ausführung von Innen- und Außenputzen, Teil 1 Außenputze
  • DIN 18550-1: ergänzende Festlegungen zu DIN EN 13914-1
  • DIN 55699: Anwendung und Verarbeitung von außenseitigen Wärmedämm-verbundsystemen (WDVS) mit Dämmstoffen aus expandiertem Polystyrol-Hartschaum (EPS) oder Mineralwolle (MW)
  • Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung / allgemeine Bauartgenehmigung Aufdopplung von Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS), Z-33.49-1505
  • Energieeinsparverordnung EnEV 2014 (Bestandsgebäude) bzw. 2016 (Neubauten)
  • Technische Systeminformation WDVS und Brandschutz, VDPM Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V.
  • Praxismerkblatt Brandschutzmaßnahmen bei WDVS mit EPS-Dämmstoffen, IWM Industrieverband WerkMörtel e.V. 02/2018 (jetzt VDPM)
  • IWM-Merkblatt „Sockelausführung im Übergang zu Wärmedämm-Verbund-systemen und Putzsystemen“, Industrieverband WerkMörtel e.V. (jetzt VDPM Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V.), Ausgabe 2014
  • AKURIT Broschüre: WDVS. Grundlagen und Planung
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