Schimmelpilze

Clever Vorbeugen!

Warum Faktoren wie das Feuchtespeichervermögen, der pH-Wert und das Innenraumklima eine so wichtige Rolle spielen.

In Zeiten der „Energiewende“ sowie der „Energie-Effizienz-Häuser“ – aber auch einer gleichzeitig wachsenden Schimmelpilzproblematik – ist der schnelle „Griff in die Dämmstoffkiste“ eine häufig angewendete Sanierungsempfehlung. Völlig unstrittig erhöht eine Wärmedämmmaßnahme – bei fachgerechter Ausführung – die Oberflächentemperaturen der Transmissionsflächen und trägt somit zunächst einmal zur Schimmelpilzprävention bei. Ungeachtet dieser bauphysikalisch leicht belegbaren Tatsache hält sich in der Öffentlichkeit das Vorurteil, dass eine Wärmedämmmaßnahme eine Schimmelpilzbildung begünstigt.

Ursächlich für diese Fehleinschätzung sind gleich mehrere Faktoren:

  1. Die Verwechslung von „Wärmedämmung“ und „Luftdichtung“: Diese Faktoren sind im baupraktischen Alltag aufgrund normativer Anforderungen häufig parallel anzutreffen. Dennoch sind sie zwei „unterschiedliche paar Schuhe“, mit ebenso unterschiedlichen „Gegenmaßnahmen“.
  2. Die (vollständige) Missachtung vorhandener (Feuchte-)Schäden in der Energieberatung – hier wirkt die Wärmedämmung als „Katalysator“ – ist aber keinesfalls die Schadensursache.
  3. Eine häufig anzutreffende „kritiklose Normgläubigkeit“ der Planer bzw. ausführenden Betriebe. Nach rein bauphysikalischen Gesichtspunkten müssten in jeder nicht gedämmten Altbauwohnung mit einem üblichen 30-cm-Ziegelmauerwerk im Winter bereits in den zweidimensionalen Wärmebrücken (bei Oberflächentemperaturen von < 10 °C) Schimmelpilzschäden auftreten. Statistiken der Wohnungswirtschaft belegen jedoch, dass lediglich 3 bis 5 % dieser Wohnungen Schäden aufweisen. Diese Beobachtung lässt den Rückschluss zu, dass eben genau nicht ein unzureichender Wärmeschutz ursächlich ist, sondern andere Faktoren – jenseits der Normen. Hier wären in erster Linie die Feuchtespeicherfunktion und die Alkalität der verwendeten Oberflächenbaustoffe (Putze) sowie das Raumklima zu nennen. Im Fokus des nachfolgenden Beitrages zur Schimmelpilzprävention stehen daher die häufig wenig beachteten Faktoren Feuchtespeichervermögen, pH-Wert sowie das Innenraumklima.

Wachstumsbedingungen von Schimmelpilzen

Für ein Schimmelpilzwachstum sind insbesondere vier Faktoren relevant:

| 1 | Die Wasseraktivität auf der Bauteiloberfläche (aw-Wert)

Diese dimensionslose Zahl zwischen 0 und 1 entspricht multipliziert mit 100 % der relativen Luftfeuchte. Ein aw-Wert von 0,87 bedeutet also, dass eine relative Luftfeuchte von 87 % auf der Bauteiloberfläche besteht. Ab einem aw-Wert von 0,72 muss unter ungünstigen Bedingungen mit einem Schimmelpilzwachstum gerechnet werden. Die DIN 4108–3  ist hier etwas „großzügiger“: Trotz langjähriger Erkenntnisse aus Forschung und Praxis findet sich dort nach wie vor eine „Hygiene-Temperatur“ (Schimmelpilzfreiheit) von 12,6 °C. Diese Temperatur darf bei einem Neubau oder einer Sanierung auch von den schlechtesten Bauteilen (Wärmebrücken) normativ nicht unterschritten werden. Bei einer genauen Betrachtung „versteckt“ sich hinter den 12,6 °C ein aw-Wert von ca. 0,79 (bei Annahme des Norm-Innenklimas von 20 °C und 50 % r. F.) und dieser ist deutlich zu hoch, um einen Schimmelpilzbefall verlässlich auszuschließen.

In der Konsequenz ergibt sich dadurch eine „Grauzone“ zwischen dem normativ geforderten aw-Wert von < 0,8 und dem tatsächlich erforderlichen aw-Wert von < 0,72 – und somit einer erforderlichen Mindesttemperatur von 14 °C auf der Bauteiloberfläche. Unglücklicherweise wachsen grade die häufig in Gebäuden anzutreffenden Pilze in dieser „Grauzone“. Legt man nur die DIN-Normen als Maßstab zu Grunde, müsste man diese Pilze einer neuen Gattung zuordnen: „Fungus legalus“. An diesem Beispiel wird deutlich, dass DIN-Normen stets nur eine Mindestanforderung darstellen und im Ernstfall nicht automatisch vor Schäden oder Haftung schützen. Der schimmelpilzrelevante aw-Wert macht deutlich, dass die entsprechende Feuchtigkeit auf der Bauteiloberfläche vorhanden sein muss, damit eine hier auftreffende Schimmelpilzspore ein zum Wachstum ausreichendes Feuchteangebot vorfindet. Baustoffe mit einer guten Feuchteweiterleitung bzw. –speicherung sorgen somit für eine trockenere Oberfläche bzw. einen schnellen Abtransport der anfallenden Kondensationsfeuchte in tiefere Bauteilschichten.

Baustoffe mit geringer Feuchteverteilung bzw. –speicherung sind daher in nicht gedämmten Gebäuden als „schimmelpilzbegünstigend“ einzustufen. Auch der spätere Wohnungsnutzer sollte in jedem Fall hierüber (in für ihn verständlicher Form) unterrichtet werden: Ein nachfolgender Anstrich eines Kalkputzes mit Latex-Farbe oder die Beschichtung mit einer Vinyl-Tapete (= „Folie“) macht die schimmelpilzwidrigen Eigenschaften der Putze zunichte.

Wachstumskurve: Schimmelpilze

| 2 | Temperatur auf der Bauteiloberfläche

Dem Volksmund zufolge, benötigen Schimmelpilze ein „feuchtwarmes Klima“. Unstrittig erhöht sich ihre Wachstumsrate bei Temperaturen zwischen 15 und 35 °C (je nach Art und Gattung). Allerdings gibt es auch Schimmelpilze, welche bereits bei einer Oberflächentemperatur von 5 °C zu wachsen beginnen, wenn auch langsamer und mit einem höheren Feuchteanspruch. Bei einer Oberflächentemperatur von 10 °C muss der aw-Wert < 0,75 sein, um ein Schimmelpilzwachstum auszuschließen. Die blaue Linie (aw 0,71) markiert eine weitestgehend temperaturunabhängige Feuchtegrenze. Ab diesem Wert ist ein Schimmelpilzwachstum sehr unwahrscheinlich. Ebenfalls ersichtlich ist die haftungsrelevante Grauzone zwischen den normativen und den tatsächlichen Anforderungen.

Die Infografik links zeigt die instationäre Berechnung eines Flachdachs in Holzbauweise mit Vollsparrendämmung. An den roten Berechnungspunkten wird deutlich, dass diese Dächer im Sommer verschimmeln – und zwar innerhalb der erwähnten Grauzone (aw < 0,8). Die Quintessenz aus den ersten beiden Wachstumsbedingungen ist also: Je wärmer die Oberflächentemperatur des Bauteils, desto geringer muss der vorhandene aw-Wert sein. Erst ab Oberflächentemperaturen von > 14 °C kann bei einem Norm-Innenklima ein kondensationsbedingter Befall an der Oberfläche sicher ausgeschlossen werden. Mit dieser Erkenntnis lassen sich u. a. auch Schimmelpilzschäden an Wärmebrücken gedämmter Gebäude erklären. Bei einer fehler- bzw. lückenhaften Dämmung weisen die Wärmebrücken im Winter Oberflächentemperaturen von < 14 °C auf und sind somit schadensanfällig.

| 3 | Das Substrat (Nährboden)

Vordergründig betrachtet sind Schimmelpilze unter den zuvor genannten Wachstumsbedingungen bezüglich des Nährbodens recht anspruchslos. Zweifelsohne gibt es Materialien, die ein Wachstum begünstigen (z. B. Zellulose und Stärken), allerdings kennt auch jeder die befallene Silikonfuge in der Duschwanne im Bad. Bei ausreichender und regelmäßiger Feuchtezufuhr genügen auch Hautfette und Schmutzpartikel sowie Körperpflegemittel für einen Befall – selbst auf fungizid eingestellten Silikonfugen. Eine genauere Betrachtung ergibt jedoch, dass es auch im Bereich des Nährbodens ein recht sicheres „natürliches Fungizid“ gibt: den ph-Wert („Säure-Milieu“). Schimmelpilze bevorzugen einen leicht sauren bis neutralen ph Wert (4 bis 7). Da Gipsputze einen nahezu neutralen ph-Wert zwischen 6 und 7 aufweisen, sind diese Putze für Bauteile mit einem höher zu erwartenden aw-Wert ungeeignet (insbesondere für Wärmebrücken in nicht gedämmten Gebäuden). Das allseits übliche Anputzen einer Fensterleibung nach Fenstertausch mit Gipsputzen führt daher in vielen nicht gedämmten Altbauten zu einer (zu erwartenden) Schimmelpilzbildung.

Im Umkehrschluss behindern hochalkalische Oberflächen ein Schimmelpilzwachstum bzw. kann ab einem ph-Wert von > 11 ein Wachstum nahezu ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund findet man keine Schimmelpilze auf Betonoberflächen – es sei denn, dass diese durch eindringendes CO₂ bereits karbonisiert sind, d. h., dass der ph-Wert auf < 10 gesunken ist. Grundsätzlich unterliegen Kalkputze auch diesem Prozess. Da Schimmelpilze vorrangig Oberflächenbesiedler sind, kommt der Wandbeschichtung eine besondere Bedeutung zu. Übliche Dispersionsfarben haben einen ph-Wert von ca. 7 bis 8 und sind zusätzlich mit diversen Nährstoffen für Schimmelpilze versehen. Kalkputze müssen daher mit geeigneten Anstrichen versehen werden. Neben einem dauerhaft hohen ph-Wert (z. B. Silikatfarben) sollte auch auf den Sd-Wert („Dampfdurchlässigkeit“) geachtet werden (< 0,3 m).

In nicht gedämmten Gebäuden sind Baustoffe mit geringer Feuchteverteilung schimmelpilzgefährdet.

AW-Wert-Messung: Bei einer hohen Raumluftfeuchte führen selbst kleinste Baufehler zu Schimmelpilzschäden.

| 4 | „Das verkannte Innenraumklima“ oder „Wärmedämmung begünstigt Schimmelpilze“

Rein statistisch lässt sich ein scheinbar kausaler Zusammenhang zwischen Wärmedämmmaßnahmen und einer nachfolgenden Schimmelpilzbildung – insbesondere bei Sanierungen – herleiten. Bei dieser oberflächlichen Betrachtung wird jedoch übersehen, dass eine Wärmedämmung sowohl aus bauphysikalischen wie auch aus normativen Gründen zumeist mit einer drastischen „Verbesserung“ der Luftdichtheit der Gebäudehülle einhergeht. Da sich die interne Feuchteproduktion durch die Sanierungsmaßnahmen nicht verändert, ist bei einem Wegfall der „natürlichen Grundlüftung über Fugen und Leckagen“ zwangsläufig mit einer höheren Raumluftfeuchte zu rechnen. Mehrjährige Monitoring-Ergebnisse in der Wohnungswirtschaft belegen, dass die relative Luftfeuchte nach einem Fenstertausch im Bestand um 10 bis 15 %, in den Elternschlafzimmern bis zu 20 % ansteigt.

Dieses „Phänomen“ ist leicht begründbar: Klassische Altbauten weisen bei einer Überprüfung mittels Blower-Door-Messung bei einem Prüfdruck von 50 Pascal (etwa Windstärke 6) Luftwechselraten zwischen 4 und 5 pro Stunde auf, d. h., der gesamte Luftinhalt des Gebäudes wird über die Undichtigkeiten 4 bis 5 Mal pro Stunde ausgetauscht. Für eine grobe Abschätzung des tatsächlichen Luftwechsels im Alltag (2 bis 6 Pascal) kann der n50-Wert des Blower-Doortests durch zehn geteilt werden, d. h. ca. 0,4 bis 0,5 Luftwechsel pro Stunde. Hieraus resultieren 10 bis 12 vollständige Luftwechsel pro Tag. Dieser Wert deckt sich mit den Anforderungen der DIN 4108, in der eine Luftwechselrate von 0,5/Std. als hygienischer Luftwechsel angegeben wird.Bei diesen Luftwechselraten wird sowohl die eingebrachte Feuchte abgeführt als auch eine hygienische Raumluftqualität (Schadstoffe und CO₂) sichergestellt.

Neubauten und sanierte Altbauten weisen hingegen n50-Werte zwischen 0,7 und 1,5 auf. Bei einem mittleren Wert von n50 = 1,0/Std. ergeben sich im Alltag lediglich 2,4 Luftwechsel in 24 Stunden – und somit ein Wegfall von 8 bis 10 vollständigen Lüftungsvorgängen pro Tag! Diese drastische Reduzierung des Luftwechsels bewirkt nicht nur eine deutlich schlechtere Raumluftqualität mit höheren Schadstoffwerten, sondern begünstigt durch hohe Luftfeuchten auch ein Schimmepilzwachstum an den Wärmebrücken. Aus der Taupunkttabelle (siehe Abbildung links) ist ersichtlich, dass die Anforderungen an die Umfassungsbauteile bei einer erhöhten Raumluftfeuchte beträchtlich steigen.

Bei dem Norm-Innenklima (20 °C und 50 % r. F.) liegt der Taupunkt bei 9,3 °C (freies Wasser), die Hygienetemperatur der DIN 4108 bei 12,6 °C und die tatsächliche Schadensfreiheit bei ca. 14 °C. Bei einem Anstieg der Raumluftfeuchte auf 70 % r. F. liegt bereits der Taupunkt bei 14,4 °C – bereits dieser Wert wird von den Wärmebrücken eines nicht gedämmten Bestandes nicht erreicht. Um unter diesen Bedingungen einen Schimmelpilzbefall auszuschließen, müssten die Wärmebrücken als kälteste Bauteile eine Oberflächentemperatur von ca. 18 °C aufweisen (aw-Wert von 0,72). Dieses Temperaturniveau kann an den Wärmebrücken nicht mehr durch Wärmedämmung, sondern nur noch durch eine aktive Bauteilbeheizung erreicht werden. Mit dieser Erkenntnis lassen sich auch Schimmelpilzfälle an Wärmebrücken in hochdichten, wärmegedämmten Gebäuden leicht erklären.

Der Feuchtespeicherfunktion der verwendeten Oberflächenbaustoffe kommt unter diesen erschwerten Bedingungen eine besondere Bedeutung zu. Selbst unter Zuhilfenahme von einfachen lüftungstechnischen Maßnahmen nach DIN 1946-6 liegen nach Untersuchungen in der Wohnungswirtschaft die durchschnittlichen Raumluftfeuchten in Schlafzimmern und Bädern in kritischen Bereichen jenseits der 60 % r. F. Diese erhöhten Feuchtewerte können von sorptiven und feuchtespeichernden Baustoffen „zwischengepuffert“ werden.

Beim Einsatz kontrollierter Wohnraumlüftungen mit Wärmerückgewinnung kann – bei richtiger Montage und Regelungstechnik – im Winter eine Raumluftfeuchte von ca. 40 % r. F. sichergestellt werden. Wie aus der Taupunkttabelle ersichtlich, sinkt die Taupunkttemperatur bei einer Raumluftfeuchte von 35 bis 40 % r. F. auf ca. 5 °C. Eine kondensationsbedingte Schimmelpilzfreiheit ist dann bereits bei Oberflächentemperaturen > 8 °C anzunehmen. Als „fehlerverzeihendes System“ bleiben damit auch altbauspezifische Wärmebrücken schadensfrei.

Es ist daher festzustellen, dass bei einer hohen Raumluftfeuchte selbst kleinste Baufehler unmittelbar zu Schimmelpilzschäden führen. Im Umkehrschluss stellen geringe Raumluftfeuchten ein „fehlerverzeihendes System“ dar und sind somit grundsätzlich vorzuziehen.

Auch denkmalgeschützte Gebäude setzen auf passive Schimmelpilz-Prophylaxe

Insbesondere in nicht oder schlecht gedämmten Altbauten ist eine „passive Schimmelpilz-Prophylaxe“ durch dauerhaft hoch-alkalische Oberflächen in Verbindung mit einer guten Feuchtepufferfunktion dringend angeraten. Für die Wohnungswirtschaft bildet eine derartige geringinvestive Schimmelpilz-Prophylaxe ein wirtschaftliches Sanierungskonzept – insbesondere für Gebäude, die aufgrund der zu erzielenden Mieten nicht gedämmt, aber schadensfrei gehalten werden müssen. Aus den gleichen Motiven finden diese Systeme verstärkt Anwendung bei denkmalgeschützten Gebäuden.

Taupunkttabelle: Typische Luftqualitäten in einem Schlafzimmer nach einem Fenstertausch: CO₂ > 5.000 ppm (Grenzwerte zwischen 1.000 und 1.500 ppm, ab 2.000 ppm lt. Umweltbundesamt hygienisch inakzeptabel), Raumluftfeuchten in der Nacht > 60 %, Taupunkt bei 13 °C.

ÜBER DEN AUTOR

Hans Westfeld

ist Sachverständiger bei Amts- und Landgerichten für Schäden an Gebäuden, Schimmelpilzschäden (TÜV Rheinland) und thermische Bauphysik. Des Weiteren ist er Lehrbeauftragter an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft sowie an der FH Hannover.