Ein ramponierter Putz kann schnell zum Streit führen und vor Gericht landen. Doch wie entstehen solche Schäden und wie kann man es richtig machen?
Beispiel 1
Bauen heißt Erfüllen von Verträgen. Wenn die wesentliche Grundlage eines Bauvertrages – die Leistungsbeschreibung – lückenhaft ist oder, wie häufig zu sehen, ohne eindeutigen Bezug auf die Regelwerke formuliert wird, ist der Schadensfall geradezu vorprogrammiert. Die gutachterliche Praxis zeigt, dass die fehlerhafte oder interpretationsfähige Positionsbeschreibung zu meist langwierigen und kostenträchtigen Auseinandersetzungen vor den Zivilkammern führt. Dadurch bleiben zwar Gutachter, Rechtsanwälte und Gerichte „im Brot“, so mancher Handwerksbetrieb jedoch wird in die Insolvenz oder in den Ruin getrieben. Auch Planungsbüros mussten im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung „bluten“ und verloren nach Schadensfällen ihren Versicherungsschutz.
Die gutachterliche Auswertung vieler Schadensfälle an Außenputzen zeigt, dass der Sockelputz sowohl in den Leistungsbeschreibungen als auch in der Ausführung stiefmütterlich behandelt und als Baudetail unterschätzt wird. Welche Folgen dies für das Bauwerk einerseits und die am Bau Beteiligten andererseits hat, ist Gegenstand des nachfolgenden Beitrages.
Schon nach einem Winter, spätestens zwei bis drei Jahre nach der Fertigstellung, ist der Sockelputz an einer Vielzahl von Gebäuden kaum mehr wiederzuerkennen. Das ursprünglich homogene Aussehen ist einem wolkigen, mürben, oft durch Abplatzungen und Rissen gekennzeichneten Erscheinungsbild gewichen. Nachfolgend werden einige typische Schadensbilder beschrieben und anschließend auf die Gemeinsamkeiten hingewiesen. Man wird schnell feststellen, dass sich geradezu ein Schadensmuster abzeichnet, dessen Ursachen auf einige wenige Merkmale zurückzuführen sind.
Beispiel 1
Erscheinungsbild: Zermürbter Oberputz, sowie bereits teilweise angegriffener Unterputz, in einer Höhe von ca. 15 bis 30 cm über Terrain. Zwei Jahre nach der Fertigstellung.
Ort: Südseite der Giebelwand eines Bürogebäudes (Neubau). Pflasterung entkoppelt, jedoch ohne Gefälle verlegt. Man beachte den gegenüberliegenden schadensfreien Sockelputz (Altbau).
Ursache: Verwendung eines nicht frost-taubeständigen Oberputzes. Der Zermürbungseffekt wurde durch das nicht vorhandene Gefälle der Pflasterung verstärkt.
Erscheinungsbild: Ablösung des Sockelputzanstriches und Teilen des Oberputzes in einer Höhe von ca. 15 bis 30 cm über des Podestplattenniveaus. Abplatzung der sehr dünn aufgebrachten Oberputzschicht über dem Eckputzprofil bis zu einer Höhe von etwa 50 cm über Plattenhöhe. Vier Jahre nach der Fertigstellung.
Ort: Hauseingangstürbereich einer Wohnanlage (Nordseite). Laibung neben Verglasungsprofil des Treppenhauses.
Ursache: Chlorid Einwirkung über den am Eckprofil gerissenen Sockeloberputz, infolge tausalzhaltigen Schnee-und Schmelzwassers sowie Hinterfeuchtung des Oberputzes und Anstriches. Nach häufigen Frost-Tau-Salz-Wechseln versagt das System. Ungeeignetes, zu gering überdecktes Eckprofil. Das fehlende Gefälle der Podestplatten hat die Putzschädigung verstärkt.
Beispiel 2
Beispiel 3 – Die Ursachen sind meist eine Unterschätzung der Sockelputzbelastungen vor Ort oder die falsche Auswahl von Putzstoffen.
Erscheinungsbild: Durchfeuchteter, zermürbter, teilweise sich ablösender Ober- und Unterputz. Die zermürbte und feucht wirkende (hygroskopische) Zone reicht bis ca. 30 cm über Terrain. Vier Jahre nach Fertigstellung.
Ort: Wohnanlage, Südseite, neben einem hochfrequentierten Gehsteig mit geringem Gefälle zur Fahrbahn. Wenige Meter entfernt befindet sich eine Bushaltestelle, deshalb häufige Streusalzverwendung.
Ursache: Einwirkung von Tausalzlösung aus Schmelzwasser. Häufige Spritzwassereinwirkung. Der Ober- und Unterputz im Sockelbereich war identisch mit dem Putzsystem auf der Fassade und weder frost- noch frost-tau-salz-beständig.
Erscheinungsbild: Oberputzabplatzung, die Gewebearmierung ist sichtbar, dahinter befinden sich großvolumige Hohlstellen. Etwa ein Jahr nach der Überarbeitung.
Ort: Wenige Meter neben dem Sockelputzabschnitt des Beispiels 3.
Ursache: Der schadhafte Sockelputzabschnitt ist das Ergebnis einer fehlerhaften Überarbeitung. Das Gewebe wurde doppellagig, ohne Putzeinbettung eingelegt. Dadurch wirkte das Gewebe als Trennlage. Weder der ursprüngliche Putz noch der Überarbeitungsputz waren frosttau- bzw. frosttausalzbeständig.
Beispiel 4
Beispiel 5
Erscheinungsbild: Abgeplatzte Sockelputzkante. Das ursprünglich vorhandene metallene Eckprofil ist bis zu einer Höhe von ca. 25 cm infolge Korrosion nicht mehr vorhanden. Teile des Eckprofils sind massiv verrostet und dabei, den darüber befindlichen Sockelputz zu spalten.
Ort: Trennwand unter einer äußeren Treppenkonstruktion in einer Wohnanlage.
Ursache: Das verwendete Eckprofil ist für die ortsübliche Sockelputzbelastung ungeeignet. Die in den Wintermonaten auftretende Schmelzwasser- und Tausalzlösung wirkte auf das nicht tausalzbeständige Metalleckprofil ein. Die Folge war die korrosionsbedingte Auflösung und das Abdrücken des darüber befindlichen Sockelputzes, obwohl der Sockelputz normgerecht der Mörtelgruppe P III und der Festigkeitsklasse C IV entsprach.
Das nun abschließende Beispiel beschreibt einen Fall, bei dem die beteiligten Parteien (der Architekt, die Stuckateur- und die Malerfirma) der Auffassung waren, bei der Planung und Ausführung des WDVS korrekt gehandelt zu haben und dass keine besondere Detaillösung erforderlich gewesen wäre. Das Schadensbild und die objekttypische Putzbelastung belehrten sie dann eines Besseren.
Erscheinungsbild: Ablösung des Anstrichs/Oberputzes über dem Armierungsgewebe. Zermürbter Unterputz oberhalb der Blechverwahrung.
Ort: Mittig angeordneter, mit einem WDVS versehener, Aufbau eines Theatergebäudes. Der Aufbau befindet sich in einer Höhe von 20 bis 30 m und ist durch unregelmäßige Geometrien gekennzeichnet. Das umliegende, schräg abfallende Dach ist mit Kupferblech bedeckt.
Ursache: Am Fußpunkt des WDVS wurde eine vorkragende Blechverwahrung aus Kupfer angebracht. Diese hat kein bzw. ein negatives Gefälle. Die Folge bei Beregnung ist eine massive Spritzwasserbelastung, besonders an der Nord- und Westseite. Der Attikakrone fehlt zudem der Putzüberstand. Die geometrischen Besonderheiten des Gebäudeaufbaus, die Bewitterung in der Bauwerkshöhe und schließlich die durch die Blechverwahrung begünstigte Spritzwasserbelastung führten zur Zermürbung des WDVS-Putzes. Nur durch planerische Vorgaben sowie einer fachgerechten Ausführung wie die Verwendung eines WDVS-Sockelputzsystems, einer zusätzlichen Vertikalabdichtung, einer ausreichenden Attikakronenüberkragung und einer Blechverwahrung, die nicht zu einer zusätzlichen Spritzwasserbelastung beiträgt, hätte der Schaden vermieden werden können.
Bei diesem Aufbau wurde zu wenig auf Details geachtet. Die vorkragende Blechverwahrung hat kein bzw. ein negatives Gefälle. Die Folge: massive Spritzwasserbelastung.
Aus den beschriebenen Sockelputzschäden lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten:
Nord- und Westseite sind tendenziell den Witterungsverhältnissen am stärksten ausgesetzt.
Deshalb stellen sich die Fragen, welche Anforderungen eigentlich ein Sockelputz erfüllen muss und was überhaupt ein Sockelputz ist? Die Antworten befinden sich in den vorgenannten Regelwerken und zwar in der DIN EN 13914-1 auf Seite 44, mit drei Beispielen der Sockelputzausführung, sowie in der vorgenannten Richtlinie an mindestens 18 Detailanschlussbeschreibungen mit Planskizzen. Diese Vorschläge reichen von gedämmten und ungedämmten Systemen, sei es mit und ohne Putzkante, über einen Anschluss an Belagsflächen und Walzkanten bis zu Übergängen an Türen, Toren, Fenstern, Terrassenbelägen und Treppen. Bei all diesen Sockelausbildungen sind das Entkopplungsprinzip und der besondere Schutz der Spritzwasserzone vorbildlich gelöst. Ein Sockelputz ist ein Putz der unterhalb der rechtzeitig festzulegenden Sockellinie bis in den Bereich unterhalb des Terrains den Putzgrund vor einwirkender Nässe, im besonderen bei Spritzwasserbelastung, bewahrt und dabei selbst widerstandsfähig genug sein muss, um den örtlich zu erwartenden Belastungen dauerhaft zu widerstehen.
Der Sockelputz bedarf einer sorgfältigen Planung. Planen heißt die zu erwartende Realität am Bau zu erkennen, in den Entwurf einzubringen und in der Leistungsbeschreibung detailliert aufzuführen. Dabei ist es wichtig, im Leistungsverzeichnis die Funktion des Putzes aufzulisten (z. B. Sockelputz wasserabweisend) und dann entweder auf das Regelwerkdetail hinzuweisen und/oder Detailskizzen beizufügen. Planerische Defizite führen nicht nur zu einem Bauschaden, sondern auch häufig zum Rechtsstreit zwischen den Beteiligten.
Um bei möglichen Konflikten die Stellung des Fachhandwerkers von Anfang an zu stärken, ist es unumgänglich, bei Diskrepanzen zwischen dem Leistungsverzeichnis und den tatsächlichen Gegebenheiten, den Bauherrn bzw. Auftraggeber schriftlich auf Abweichungen hinzuweisen. Dieser Hinweis sollte nicht unter dem Gesichtspunkt des möglichen Verlustes des Auftrages vermieden werden, sondern ist ein Zeichen der Fachkompetenz, die sowohl dem Bauherrn als auch dessen Architekt oder eingeschalteten Planungsbüro hilft, von vornherein Fehler zu vermeiden. Wichtig dabei ist, dass diese Hinweise schriftlich erfolgen und sich dann in einer Änderung des LVs und des Bauvertrages niederschlagen.
In vielen Fällen, sowohl bei der Durchführung von Putzarbeiten an Neubauten als auch bei der Altbausanierung, wird die anwendungstechnische Beratungskompetenz des Putzlieferanten herangezogen. Der Service erstreckt sich oft vom Beurteilen des Untergrundes und der daraus resultierenden Empfehlung für das Putzsystem bis zur gutachterlichen Stellungnahme z. B. im Hinblick auf den Durchfeuchtungs- und Versalzungsgrad eines historischen Mauerwerks.
Dieser Service und die daraus resultierenden Hinweise der Fachberater entbinden jedoch weder den Planer noch die ausführende Bau- oder Handwerksfirma von deren Verantwortung. Eingebunden wird ein Hersteller bzw. Lieferant nur dann, wenn eine vertragliche bzw. vertragsähnliche Beziehung im Sinne eines Beratungsvertragsverhältnisses entstanden ist.
Dr. Dipl.-Ing. Horst Reul: Handbuch
Bautenschutz und Bausanierung.
Verlag Rudolf Müller. 39,00 Euro.
ISBN-Nummer: 978-3-481-02162-7
ist Dozent und Fachautor für Bausanierung, Bauchemie und Bautenschutz. Zudem war er langjähriger Leiter des WTA-Referates Oberflächentechnologie. Von 1986 bis 2014 betrieb er ein Ing.- und Sachverständigenbüro.